uuto – eine kindergeschichte
für monika zu ihrem 50. geburtstag im pacific

ausgedacht und aufgeschrieben vom sampo


uuto



1.

„alle sind weg, alle!“,

brüllt der thunfisch uuto mit letzter kraft und schwimmt so schnell er kann nach nordnordwest, in richtung central pacific basin.

hier gibt es den geheimnisvollsten platz auf diesem planeten, verborgen und für menschen nicht zu entdecken. hier in den mid pacific sea mountains , ca. 12000 fuß unter der oberfläche, ist der treffpunkt der meeresbewohner. hohe berge, zerklüftet, mit tiefen schluchten, schirmen den ort ab, in der mitte liegt ein großes, flaches tal.

normalerweise könnten die bunten riff-fische und die anderen lebewesen aus den flachwasserzonen unmöglich in solch einer tiefe schwimmen, der wasserdruck wäre zu hoch und die dunkelheit zu groß, sie wären nicht in der lage, ihre interessen in der versammlung der meerestiere wahrzunehmen.

aber durch die ungewöhnlichen strömungen in diesem gebirge ist der wasserdruck ganz unterschiedlich und so kann sich jedes lebewesen der meere hier aufhalten.

die berge sind über und über mit bergkristallen bedeckt, die das sonnenlicht der meeresoberfläche in diese große tiefe leiten. es gibt hier alle abstufungen von hell bis dunkel. jedes meerestier kann für sich einen platz finden, der seinen bedürfnissen entspricht.

die fische bilden die übermacht in der versammlung, und aus dem bewusstsein heraus, dass alle anderen hochentwickelten lebewesen - auch die landsäuger - von den fischen abstammen, sind sie der meinung, bei den gemeinsamen treffen auch am längsten reden zu dürfen. nichtsdesto trotz haben auch die anderen bewohner eine stimme, die gehört wird. fische sind meist überaus tolerant.

2.

der versammlungsplatz ist kein statisch definierter bereich. nein, es sind die gesamten mid pac sea mountains mit all ihren tälern, schluchten, höhen und tiefen. fische brauchen nicht stillzuhalten um alles mitzubekommen.

die bunten fische aus den riffs, die seelöwen, die tintenfische und quallen schwimmen zusammen mit den

großäugigen tiefseefischen, den heringen und kingfishes in einer ununterbrochenen bewegung, ohne dass es jemals zu einem zusammenstoß kommt.

für das treffen der meerestiere gibt es einige spielregeln: dass die raubfische hier nicht jagen, aber auch, dass die kleinen fische so wichtig sind wie die großen, der white-tipped shark nicht bedeutsamer als das seepferdchen.

was für ein unterschied zum leben im dschungel und in der luft. der löwe und der adler sind die könige - zumindest scheint es so, aber wer könnte sich nicht auch die fledermaus, den elephanten oder das känguru auch als könige vorstellen, - vielleicht sind das ja die heimlichen.

die meeresbewohner sind den landtieren um millionen von jahren in ihrer entwicklung und ihrem wissen voraus und brauchen nicht mehr die festen strukturen und strengen regeln der landbewohner. für das komplexe leben im meer sind ausschließlich leichte, bewegliche strukturen geeignet. so ist hier im meer nichts statisch fest, immer ist alles in bewegung, äußerlich wie innerlich. selbst die berge bewegen sich , in einer ihnen angemessenen geschwindigkeit.


3.

hier also findet die versammlung der meerestiere statt. nun ist es so, dass sich die fische und meerestiere nicht regelmäßig treffen, nicht mit festgelegten tagesordnungspunkten, sondern je nach bedarf zu freudigen und weniger freudigen ereignissen. der rat der alten fische entscheidet, ob eine versammlung einberufen wird.

thunfisch uuto begibt sich sofort zum diamond stingray irge, er gehört zu den großen alten fischen und wird - weil er schnell ist und viel rumkommt - üblicherweise in diesen dingen als erster zu rate gezogen. alle

großen alten fische genießen untereinander ein absolutes vertrauen, einer kann für alle entscheiden, die versammlung der fische einzuberufen.

irge hört sich uutos bericht an und kurze zeit später geht auf allen kanälen die aufforderung durch, sich zur großen versammlung zu treffen - alle hatten dies auch erwartet, ein thunfisch macht kein solches gebrüll für nix und wieder nix.

die gemeinsamen kommunikationsmöglichkeiten sind sehr hoch entwickelt. informationen werden in der altbekannten methode der erzeugung und ausbreitung von schallwellen ausgetauscht- die wale sind dabei - auch aufgrund ihrer größe - in grenzbereiche vorgestoßen. ein netz von schallkanälen durchzieht die ozeane.

eine zweite möglichkeit, informationen auszutauschen, auf einer anderen ebene, ist die ausgeprägte körpersprache. dies erscheint ungewöhnlich, betrachtet man die glatte haut und die meist wenigen flossen der fische. die körpersprache der menschen ist hier nicht gemeint, sie wäre viel zu langsam für den informationsaustausch dieser tiere. millionen von kleinen schuppen bilden patterns innerhalb von millisekunden. diese sprache beherrschen alle wassertiere, manchmal haben sich gewisse dialekte herausgebildet, was diese spezies für eine intellektuelle leistung hält. besonders den knallbunten tropenfischen lässt sich hier eine gewisse eitelkeit nicht absprechen.

aber auch die scheinbar gemächliche seaturtle beherrscht diese schnelle sprache, ihr geschuppter hals ist weich und vielseitig veränderbar.

die dritte kommunikationsform ist der blickkontakt. unvorstellbar ist die vielfalt der blickinformationen, die meerestiere aufbringen können. was wir menschen als „durchdringenden blick“, den „herausfordernden blick“, den „verliebten blick“, etc. kennen, sind für die meeresbewohner rührende grundübungen einer eigenständigen kommunikationsform.

die vierte kommunikationsform ist unsichtbar und nicht zu hören und kann höchstens mit „spüren und dabei gedanken tauschen“ sehr mangelhaft umschrieben werden. hier laufen alle nonverbalen informationen, wie z.b. gefühle zusammen.

diese vier kommunikationswege der meeresbewohner musst du kennen, um ihr versammlungssystem zu verstehen.

uuto gebraucht in seiner aufregung nur die 1.form, die schallebene, und trotzdem verbreitet sich seine nachricht in windeseile, und niemand konnte damit etwas anfangen.

trotz der schnellen kommunikationswege braucht es naturgemäss eine zeit alle vertreter zusammenzutrommeln, sie kommen ja aus allen weltmeeren. auch sind die teilnehmenden meeresbewohner nicht immer die selben, nein für jede versammlung wird neu entschieden, neben den alten, erfahrenen kommt stets eine gruppe junger und ganz junger tiere. der geist aller bleibt so in bewegung. und jede spezies - und hier begreift sich jede kleine untergruppe als eigene spezies - sendet eigene vertreter.

so dauert es eben doch zwei bis drei sonnentage, an denen ununterbrochen die unterschiedlichsten tiere anreisen. trotz der viele millionen jahre alten erfahrung mit den spielregeln werden die raubfische anfangs sehr genau - allerdings nur aus dem augenwinkeln heraus - beäugt.

nun zeigt sich die außergewöhnliche qualität dieses platzes in den mid pacific sea mountains. für jedes lebewesen gibt es die notwendigen bedingungen. hell, dunkel, warm, kalt, stehendes oder fließendes wasser, höhlen, schlupflöcher, überhänge. dieser ort hat eine besondere kraft. die riesigen bergkristalle haben neben ihrer aufgabe, licht in die tiefe des ozeans zu bringen, auch dafür zu sorgen, dass ihre kraft auch an alle anderen kristalle, vulkansteine und auch an die - nur scheinbar - einfacheren lebewesen wie z.b. die korallen abgegeben wird.

nur durch diese kraft ist es möglich, eine solche vielfalt von lebewesen zusammenzubringen und über die wesentlichen dinge des lebens und zusammenlebens zu sprechen.


4.

wie schon gesagt ist diese versammlung stets in bewegung, die verschiedenen arten sind fein in gruppen geordnet - was sich später ins gerade gegenteil verkehren wird, weil es den tieren wichtig erscheint, viele meinungen zu hören, und weil sie eben den ozean als gesamtheit begreifen.

das seepferdchen üü spricht die begrüßung aus, das war schon immer so und niemand kann sich erinnern, wieso es immer die seepferdchen sind, ein trompetenfisch z.b. könnte doch die begrüßung trompeten - aber solche dinge scheinen nebensächlich und es bleibt beim seepferdchen. es geht um die wahl des versammlungsleiters.

sofort schlägt eine gruppe von muscheln den wal enegh vor - wohl weil sie auf ihm wohnen, sich dort wohl und geborgen fühlen, aber auch um ihrem gastwirt zu schmeicheln. wie immer bei diesem vorschlag - er kommt jedes mal als erster - bricht ein gelächter in der runde aus. wale sind auf grund ihrer langen ahnentafel und ihrer besonderen lebensgewohnheiten als säugetiere schon seit jahrtausenden mitglieder im rat der weisen und stehen somit nicht als versammlungsleiter zu verfügung - wie auch die schildkröten, delphine und der trumpetfish. dies wollen diese nomadenmuscheln einfach nicht wahrhaben.

es gehört zu den spielregeln, dass keine versammlung so ablaufen soll wie die vorhergehende. es wechseln die versammlungsleiter von mal zu mal und damit auch die art und weise der versammlung. jeder versammlungsleiter übt diesen job in seiner weise aus und hat dabei völlige freiheit.

trotz des enorm schnellen gedankenaustauschs unter den versammlungsteilnehmern dauert es etliche stunden, um den wunderschönen orioloc, einen parrotfish, zum leiter zu wählen. mit seinen schönen farben, nur 1 1/2 fuß lang, hat er nicht die geringste schwierigkeit, sich gehör zu verschaffen, das gemeinsame interesse an einem erfolgreichen treffen überwiegt den spieltrieb, die spielregeln kennt jeder.

vor tausenden von jahren waren diese regeln einmal verloren gegangen, was vielen meerestieren den tod gebracht hat. erst die rückbesinnung auf die erwähnten spielregeln – sehr, sehr flexible regeln - hat bewirkt, dass wieder versammlungen der meeresbewohner stattfinden und neue ziele erreicht werden können.

alle fische und die zahlenmäßig unterlegenen meeressäuger, aber auch einzeller und die korallen, die immer hier leben, sind nun versammelt. es brodelt im wasser und trotz der großen talräume der mid pac sea mountains ist es eng. nie jedoch stoßen fische zusammen, die raubfische versuchen eine besondere zurückhaltung in ihren bewegungen.


5.

orioloc eröffnet die versammlung. alle schwimmen auf ihn zu. es entsteht ein raumstern mit orioloc als mittelpunkt.

neben ihm uuto, hoch konzentriert, und doch ist seine aufregung spürbar. noch nie hat er vor so vielen lebewesen gesprochen, und noch nie ist ihm so etwas ungeheuerliches passiert.

„alle sind weg, alle“ beginnt er und spricht in allen vier formen gleichzeitig, was die höchste informationsdichte bedeutet.

„ich bin ja noch etwas jung und nicht ausgewachsen - dies wohl hat mir das leben gerettet und so überhaupt nur kann ich euch berichten. wir waren ein großer schwarm yellowfin thunas, ausgewachsene und junge, und zogen wie jedes jahr zu dieser zeit durch das roogevin basin nach süden ziel southern ocean. dort ist das wasser kälter und bietet uns gute nahrung. wir waren viele tausend. wie ihr wisst, sind wir gesellig, aber zählen kann man solch einen großen schwarm nicht. für bestimmte strecken wurden wir von freunden begleitet, den wahoos und den damsels. die delphine bildeten wie immer unsere vorhut. der schwarm war viele kilometer breit und lang. es war ein gutes jahr und unser schwarm hat sich gut vermehren können. dies ist - wie ihr auch wisst - sehr notwendig, da der fischfang der menschen unseren bestand stark dezimiert hat.

wie ein blitz aus heiterem himmel kam der schwarm plötzlich zum stehen. ein aufschrei ging von vorne nach hinten:

„ netz !“

sofort teilte sich der schwarm auf, ein teil nach links, ein teil nach rechts, der andere nach unten. gleichermaßen teilte sich der hintere teil des schwarms auf. es war ein ungeheures brodeln. die begleitenden schildkröten, obwohl ungeheuer wendig, konnten trotzdem nicht so schnell umdrehen und standen nun im gegenstrom der thunas, die kleinen damels waren zeitweise orientierungslos und schwammen hierhin und dorthin.

schon kam von den spitzen des rechten und linken schwarms die nachrichten, dass kein ende des netzes abzusehen sei, vielmehr sich das netz nach hinten krümme. auch die fische vom hinteren ende des schwarms meldeten nur netze, gillnets, wie sie von den menschen genannt werden, sind bis zu 150 km kilometer lang, fast unsichtbar. wenn du das netz spürst, ist es schon zu spät, du verfängst dich mit den flossen, kiemen und schuppen, die nachfolgenden drücken dich weiter ins netz, du bist gefangen.

blitzschnell - ich muss eher sagen - fischschnell - kam die nachricht „nach unten“. schlagartig tauchten wir alle nach unten. wir thunas haben einen lebensbereich bis 100 fuß unter der meeresoberfläche - nur hier an diesem kraftplatz in den sea mountains können wir wie ihr seht tiefer gehen - haben aber gelernt mit einer besonderen atemtechnik kurzzeitig auch mal 300 ja sogar 400 fuß zu tauchen.

ich war wohl erst bei ca 150 fuß, als die ersten genossen total erschöpft schon wieder hoch kamen. „kein unteres ende des netzes abzusehen, auch hier gibt es kein entkommen!“

ich hatte das gefühl, dass sich das netz um uns herum immer enger zusammenzog, das gedränge zumindest wurde unerträglich. wir, die wir uns nie berühren, wurden zusammengedrückt und weitergeschoben.

plötzlich war ich am netz selber angekommen. gedrückt, verschrammt. wir haben uns so gut es ging voneinander verabschiedet, bei den vielen begleittieren entschuldigt, dass sie, uns vertrauend, nun mit uns sterben müssen, noch dazu, ohne dem lebewesen mensch nahrung zu bieten. der schwarm wurde erstaunlich ruhig, das zappeln war fast vorbei und das hat mir wohl das leben gerettet - deshalb kann ich euch das alles berichten. das netz war an meiner stelle schlecht geflickt worden, der druck von innen nach außen war so groß, dass ein knoten aufging, die maschenweite hat sich vergrößert. ich konnte wegen meiner geringen körpergröße durchschlupfen und entkommen.

vollkommen hilflos und geschafft schwamm ich nun außerhalb des netzes, alle meine freunde eingesperrt, als mir ein älterer thun noch zurufen konnte:

„versammlung“.

das netz wurde aufgeholt und ich war ganz alleine im großen ozean. nichts und niemand war mehr da. das gillnet hatte bis auf 450 fuß tiefe alles mitgenommen.

alle sind weg alle, ich musste das schreien so laut ich konnte.“


6.

uuto hat seinen bericht beendet und die versammlung ist wie gelähmt. alle die tiere, die sonst immer in bewegung sind, stehen still, ratlos.

immer schon haben menschen fische gefangen, um sich zu ernähren, und jede fischart für sich hat mehr oder minder erfolgreich gewisse methoden entwickelt, den fischern zu entkommen - es war ein kampf mit den menschen, mit erfolgschancen auf beiden seiten. und ein gewisses natürliches gleichgewicht konnte sich einstellen.

aber solch ein gillnet, 150 km lang, 150 m tief, das alles mitnimmt, das hat es bisher nicht gegeben. hier können die bewährten methoden der fische nicht mehr wirken.

es herrscht eine traurige ruhe in der runde.

nach langem schweigen erhebt enegh die stimme. er ist ungewöhnlich alt - niemand weiß genau, wie alt - und kennt noch die alten geschichten und zusammenhänge. die z.b., dass die menschen von den walen abstammen - die friedfertigkeit dieser tiere haben die menschen aber scheinbar nicht mit übernommen.

früher wurden auch die wale von den menschen gejagt, so kennt enegh die bedrohung aus eigener erfahrung sehr gut. er weiß, dass die menschen andere lebewesen töten, um selbst zu leben - aber das gleichgewicht der kräfte ist in unordnung geraten, jetzt kann eine rasse eine andere ausrotten.

„ das lebewesen mensch „ fängt enegh an „hat sich so enorm vermehrt, dass die ressourcen knapp werden. solange noch irgendwelche lebewesen zu fangen sind, fängt sie der mensch bis zur ausrottung. dies passiert mit pflanzen wie mit tieren - auch den tieren oberhalb der meeresoberfläche. die menschen scheinen aber nicht zu sehen, dass täglich lebewesen von der erdoberfläche verschwinden, für ewig und immer.

aus meinem langen leben weiß ich, dass nichts und niemand vor den menschen sicher ist und an eine zusammenarbeit nicht zu denken ist. noch ist der mensch zu überheblich und fühlt sich uns allen überlegen.

wir werden uns selbst helfen müssen. wir müssen einen weg finden, der unsere ausrottung verhindert. dieser weg muss listig sein.

ich schlage vor, dass sich nun jeder für einen tag zurückzieht, um morgen zur gleichen zeit seinen vorschlag zu unterbreiten. danken wir unseren göttern, dass dieser versammlungsplatz hier soviel kraft besitzt und so geschützt ist.“

nun waren die mid pac sea mountains an allen ecken und enden besetzt. überall gruppen und grüppchen unterschiedlichster meeresbewohner. auch einige gemischte gruppen hatten sich gefunden. es wurde diskutiert, getanzt, meditiert, beschworen und gesungen. nie zuvor war zu sehen, wie unterschiedlich die kulturen der einzelnen lebewesen doch sind und welch große geistige leistung es ist, sich auf solch eine versammlung einzulassen, in der die gemeinsame lösung das höchste ziel ist.

ab und an schwamm jemand zu den weisen, um sich einen rat zu holen oder eine information.


7.

zum vereinbarten zeitpunkt haben sich alle wieder versammelt. der resignation war lebendigkeit gefolgt. die bewegung der versammlung ist von hoher energie und erwartung. die grosse gemeinschaft und das große ziel hat kräfte freigesetzt und nicht gelähmt, das ist richtig spürbar.


die spannung scheint unerträglich, bis endlich orioloc die versammlung wieder eröffnet.

es meldet sich sofort das seepferdchen in der sorge, im großen trubel etwa doch übersehen zu werden - auch wenn dies noch nie passiert ist - es hat sich schon vor wiederbeginn der versammlung dauernd gemeldet.

„liebe freunde, die einzige chance uns zu retten, ist die menschen generell vom fischfang abzuhalten. das lebewesen fisch muss abgeschafft werden (gemurmel unter den zuhörern), halt halt, ich will nicht euch abschaffen, ihr sollt doch nur euer aussehen verändern. der mensch ist ein gewohnheitstier und hat eine ganz be-

stimmte vorstellung von dem fisch, den er essen kann. würdet ihr plötzlich so aussehen - ihr erlaubt den bezug - wie ich, oder vielleicht wie die seeigel, würden die menschen sofort aufhören uns zu jagen. ein seepferdchenseeigelstäbchen ist zugegebenermaßen äußerst unattraktiv. die umsetzung meines planes ist ein noch zu lösendes problem.“

hatte die versammlung anfangs noch etwas geschmunzelt, finden jetzt alle die idee interesssant auf die erwartungshaltung der menschen einzugehen.

den vorschlag von artien, dem damselfish, so abzunehmen, dass kein fleisch mehr auf den gräten ist, wird abgelehnt, würde es doch das allgemeine wohlbefinden - der fülligeren fische zumindest - zu stark beeinträchtigen. auch bestände die gefahr, dass die menschen nur die fangquote vervielfachen würden.

auch die schönheit der meeresbewohner zu opfern, sie hässlich, schrumpelig, mit warzen übersäht aussehen zu lassen, findet nicht die rechte zustimmung, das eigene leben soll trotz allem noch schön und lebenswert bleiben. etwas beleidigt zieht alocopaszep, ein bandtail frogfish, seinen vorschlag zurück, nicht ohne auf sein außergewöhnliches aussehen hinzuweisen und sich länger über das banale schönheitsverständnis der anderen abfällig auszulassen.

nun meldet sich hiriiui, ein fliegender fisch:

„ich wollte mich nicht in uuto‘s darstellung des geschehens einmischen, die ereignisse sind so entsetzlich und uuto hat sie treffend geschildert. ich habe diesen schwarm begleitet, weil mir die anwesenheit der thunas immer schon freude gebracht hat. ich konnte mich im letzten moment mit einem flug, ja mit einem flug, über die obere netzkante retten, bevor das netz hochgezogen wurde. es war ein hoher flug, aber für uns nicht ungewöhnlich anstrengend. meine freunde schwammen später tot im meer, ich weiß nicht warum, aber der mensch mag uns nicht. er nennt uns ‚beifang‘ und wirft uns wieder ins meer zurück. allerdings sind wir dann erstickt, denn so lange können selbst wir es nicht außerhalb des was-sers aushalten.

mein vorschlag ist, ihr ahnt es wohl, allen fischen flügel wachsen zu lassen - dies war vor jahrmillionen schon mal sehr verbreitet, die vielen reinen vögel können dies beweisen. wenn wir alle flügel haben, können wir alle netze der menschen überfliegen und sind in zukunft sicher.“

länger wird nun diskutiert, ob es denn gelingen würde, sich flügel wachsen zu lassen und die flugtechnik der fliegenden fische zu lernen - aber auch, wie es wohl aussieht, wenn nun alle große flügel an der seite hätten - weil fische nun mal auch etwas eitel sind. aber nicht deshalb kommt dieser vorschlag nicht zum tragen. alle befürchten, dass die menschen sofort netze entwickeln würden, die ca 3 fuß über die oberfläche gehen würden und somit nicht mehr zu überfliegen wären.

wie bei allen vorhergehenden vorschlägen bedankt man sich herzlich und wartet auf die nächste wortmeldung.

„der baracuda“, sagt axraixai, selbst ein vertreter dieser spezies, „lebt vergnügt und freudig an den riffkanten. als jäger frisst er die kleineren korallennager, die über die toten korallen ein für menschen tödliches nervengift aufnehmen. somit sind wir für menschen ungenießbar, wir führen ein vergnügtes, menschensicheres leben. es gibt ozeanweit genügend riffs und somit gift für uns alle. wir - auch du kleiner triggerfish, glaub es ruhig - sind immun gegen dieses gift, sind aber für den menschen ungenießbar. für euch wale und delphine wäre dieser weg allerdings nicht geeignet, ihr könnt euch ja vielleicht anders wehren.“

nach dieser rede braust ein applaus auf. die mehrzahl der zuhörer ist spontan davon überzeugt, dass dies die lösung des problems ist. der fisch ist für den menschen ungenießbar und deshalb uninteressant.

schon fangen einzelne grüppchen an herumzutanzen, als der kleine versammlungsleiter orioloc, zur erinnerung der aus der gruppe der parrotfische, unmissverständlich um aufmerksamkeit bittet. noch sind nicht alle wortmeldungen berücksichtigt und der vorschlag von axraixai weder diskutiert, geschweige denn beschlossen.

erst etwas zögerlich dann deutlicher kommen kollektive einwände der eela, die nicht gegen dieses gift immun sind - aber zu den von den menschen so genannten „speisefischen“ zählen. ebenso protestieren die haie aller arten, die auf grund ihrer größe und ihres körperbaus nicht an den korallen knabbern können. nun ist der hai bei den menschen so unbeliebt, dass sie ihn am liebsten ausrotten würden, einfach nur so, weil er für menschen so gefährlich dreinblickt und die flossen schmackhaft sein sollen.


8.

schon länger hat sich die grüne seeschildkröte ylcral gemeldet, war aber nicht gleich gesehen worden, ihre bewegungen sind so bedächtig - auch wenn sie eine wirklich rasante schwimmerin sein kann - wenn sie will.

„liebe mitbewohner der ozeane, ihr wisst, dass wir schildkröten unendlich alt werden können“, beginnt das urtier mit seiner sehr deutlichen, aber langsamen sprache „und in dieser runde hier kann da höchstens noch enegh mithalten. sicher kennt ihr auch unser trauriges schicksal. jahrhunderte lang haben seeleute uns gefangen und als frischproviant in die lagerräume der schiffe gepfercht - wir können wirklich über ein jahr ohne nahrungsaufnahme leben. jetzt wo unsere spezies in den ozeanen nahezu verschwunden ist und das interesse der menschen für unser ungewöhnliches aussehen wieder größer geworden ist – als nahrungsmittel brauchen sie uns ja nicht mehr -besteht die chance, dass wir uns langsam wieder vermehren, ein vorgang von vielen tausend jahren - ich glaube der mensch denkt nur in zeiträumen von 10-15 jahren, das sind ja nur minuten im vergleich zu unserem zeitverständnis.

obwohl also unsere rasse vom menschen fast aufgefressen worden wäre, plädiere ich dafür, dieses lebewesen mensch in dem kreislauf aller dinge und besonders dem nahrungskreislauf zu behalten. es ist ein verhängnisvoller fehler, diesen kreislauf der natur irgendwo zu verlassen, alle die dies tun, sind zum aussterben verurteilt. das leben ist eine gesamtheit.

es sind doch die mittel der menschen, die wir ablehnen, wir meeresbewohner sind kein industrieprodukt. die vielen küstenfischer weltweit mit ihren kleinen booten, speeren, angeln, handbedienten netzen müssten tatsächlich alle verhungern, wenn nach oriolocs vorschlag kein fisch mehr genießbar wäre. was würde mit all den vögeln geschehen, die vom fischfang leben. so hart dies für uns alle ist, auch wir sind ein teil des gesamten systems und müssen dafür auch opfer bringen.

uns alle zu vergiften, ist der falsche weg und wäre ein verhängnisvoller eingriff in die schöpfung. wir sind intelligent genug eine lösung zu finden, die unser weiterbestehen sichert und den natürlichen kreislauf des lebens hier und über der wasseroberfläche nicht stört. der mensch muss aber eingeschränkt werden!

vielen dank für das geduldige zuhören.“

die aufgelöste freudigkeit der runde hat sich im laufe der rede in ein „nachdenklich-den kopf-wiegen“ und „noch-aufmerksamer-zuhören“ gewandelt. gleich nach der rede beginnt die diskussion in kleinsten grüppchen und interessanterweise sind diesmal alle gruppen gemischt.

oioloc vertagt die versammlung, über ylcrals worte muss nachgedacht werden.


9.

die folgenden gespräche dauern mehrere sonnenstunden.

„wir werden uns nicht vergiften, auch nicht die menschen!“ der kleine hering ingreeh spricht ausgesprochen deutlich und für seine körpergröße enorm laut und findet sofort die allgemeine zustimmung. selbst axraixai hat seine meinung dahingehend modifiziert, dass das giftmo-dell - weil schon etabliert - für die riff-fische weiterhin gilt, in der stillen hoffnung allerdings, im lauf der zeit weitere anhänger zu gewinnen.

ingreeh spricht weiter:

„wir ihr wisst lebt der einzele hering mit seinem schwarm. wir machen alles kollektiv, das lernen wir von klein auf. wohl weil wir so dicht zusammen schwimmen und unsere schwärme stattlich waren, wurden wir von den menschen besonders gejagt - was bisher auch ganz leicht war. in vielen regionen leben inzwischen nur noch ver-einzelte artgenossen in kleinen gruppen - bei dieser größenordnung kann ich nicht mehr von einem schwarm sprechen. auch wir sind also von der gefahr mensch besonders stark betroffen. ich will euch nun den vorschlag der heringe erklären, von allen heringen zusammen erarbeitet, unter mithilfe jedoch der panamic green morays, der black tipped sharks, der marine iguanas und man höre und staune einiger blue-footed boobies als lebewesen zwischen dem wasser und der luft. es ist unser vorschlag, ich wurde zum sprecher gemacht:“

ein gespanntes vibrieren geht durch die versammelten tiere.

„alle ozeane zusammen haben unendlich viel wasser, mehr als genug für uns alle. was machen wir? wir konzentrieren uns auf wenige spuren, plätze, strömungen und dann auch noch immer zusammen. wir müssen lernen alleine zu leben und trotzdem zusammen zu denken! hier ist die rechnung: mein schwarm hat mehr als hunderttausend heringe, wir leben auf einer fläche von ca 100 x 300 meter in der nordsee. so sind wir total leicht zu fangen. in zukunft müssen wir uns auf eine fläche von 10000 x 30000 meter verteilen und auch in der tiefe etwas stärker staffeln. somit schwimmt höchstens alle 100 meter oder 330 fuß - für unsere britischen kollegen - ein fisch. bei solch geringer fischdichte wird es für den menschen uninteressant mit gillnets zu fischen. er wird sich auf die fischzucht und die einzeljagd verlegen. die

fischzucht ist zwar für die betroffenen kollegen kein besonders schönes leben, aber hier teilen wir die meinung mit axraixai, wir sind bestandteil des großen lebenskreislaufes. wir haben auch die aufgabe, das lebewesen mensch zu ernähren - nebenbei gesagt bin ich davon überzeugt, dass jeder von uns mehrere leben hat.

nun habt bitte nicht gleich angst vor der vereinsamung. soweit sind wir nicht auseinander, wir können uns ja fast noch sehen, und denkt an unsere ausgezeichneten kommunikationsformen, niemand wird wirklich alleine sein. und ich muss zugeben, dass mal etwas allein sein auch recht aufregend sein kann und uns neue horizonte öffnen wird.

liebe freunde, die ihr in schwärmen lebt und gleichzeitig besonders gejagt werdet, es wird eine große umstellung werden. wir werden uns anfänglich gegenseitig ermahnen müssen, aber wir werden es schaffen und damit überleben, ohne unsere lebensgewohnheiten total aufzugeben. das leben ist veränderung - nur keine gewöhnung!“

mit dem fortschreiten der rede ingreehs werden die zuhörer immer nachdenklicher und verschlossener. hier sollen grundlegende dinge des zusammenlebens aufgegeben werden, die seit fischgedenken so gehandhabt werden. da sträuben sich einem alle schuppen.

es entsteht eine lange, gar nicht langweilige pause. jeder denkt sich in seine mögliche position hinein und rückt schon mal ein paar millimeter vom nachbarn ab.

die delphine lockern die atmosphäre, als sie sagen:

„wir gehören zu den weniger gefährdeten tieren, sind sehr gesellig, wie jeder weiss. wir werden mit gutem beispiel voraus schwimmen, bis die situation im meer sich wieder in unserem sinne gewendet hat.“

die wale nicken spürbar mit den köpfen, was eine größere wasserbewegung verursacht und die letzten schlafmützen aufrüttelt, während die seelöwen mit dem schwanz wackeln, das ist bei denen so üblich als zeichen der zustimmung. die schildkröten nicken vorsichtig mit den köpfen, für sie ist dies alles kein problem, sie sind über die meiste zeit des sonnenjahres einzelgänger.


10.

es wird ein grosses nicken, die zustimmung zu diesem plan ist überwältigend. der vorschlag der heringe ist angenommen.

die neue ordnung in den ozeanen wird beginnen, der fischfang mit gillnets zurückgehen. die mid pac sea mountains bleiben in ihrer schönheit zurück, fische hinterlassen keine spuren. nur wenige tiefseefische leben hier ständig als hüter des platzes.

die fische umarmen sich, weil, wie gesagt, schon auf dem heimweg distanz gehalten werden soll.

oriloc wünscht allen eine gute zeit. die grossen weisen bitten darum, über die auswirkung des planes unterrichtet zu werden . sie hoffen, dass auf der nächsten versammlung der beschluss schon wieder aufgehoben werden kann.



es werden sich wieder fischschwärme bilden, neue schwärme mit neuem bewusstsein aus der erfahrung als einzelgänger, geborgen in einer großen gruppe.








mai-juni 96